Die Adecco Group Deutschland will bis 2025 mindestens 10.000 Geflüchtete in Arbeit bringen. Warum und wie das gelingen kann, darüber gibt Henrik Straatmann, Geschäftsführer Adecco Personaldienstleistungen, Auskunft.
Herr Straatmann, warum tut sich Deutschland so schwer, Geflüchtete in Arbeit zu vermitteln?
Henrik Straatmann: Menschen mit Fluchthintergrund zu rekrutieren, einzustellen und zu halten ist kein Standardprozess für HR-Abteilungen. Es gibt eine Menge zu bedenken und zu organisieren. Dazu kommen so einige bürokratische Hürden, die zu überwinden sind. Dennoch glaube ich, dass sich der Mehraufwand lohnt und viele Unternehmen noch gar nicht wissen, was hier für ein Talentpool schlummert.
Hendrik Straatmann Geschäftsführer Adecco Personaldienstleistungen
Wie meinen Sie das?
Henrik Straatmann: Es ist kein Geheimnis, dass wir bereits heute einen starken Arbeitskräftemangel spüren. Und die Situation wird sich aufgrund des demografischen Wandels in den kommenden Jahren weiter verschärfen.
Darum wird es für Unternehmen klug sein, wenn sie in Zukunft über den Tellerrand hinausschauen und auch neue Zielgruppen für ihr Recruiting systematischer ins Auge fassen. Wir sagen als Personaldienstleister selbstbewusst: Wir werden bis Ende 2025 mindestens 10.000 Geflüchtete in Arbeit bringen. Die Kandidat:innen sind da.
Was sind für Sie die wichtigsten Gründe, warum es sich lohnen kann, geflüchtete Menschen gezielt einzustellen?
Henrik Straatmann: Wir sammeln bereits seit vielen Jahren Erfahrungen mit der Rekrutierung und Qualifizierung sowie Vermittlung und Arbeitnehmerüberlassung von Geflüchteten.
Für mich sind es drei wesentliche Gründe: Unternehmen übernehmen gesellschaftliche Verantwortung, und es ist heute wichtiger denn je, dass jeder seinen Beitrag für eine inklusive Gesellschaft leistet. Unternehmen können damit auch sehr gut auf ihr Employer Branding einzahlen. Themen wie Diversität und Inklusion sind heute für Arbeitnehmende absolut wichtige Kriterien, wenn sie sich für einen neuen Arbeitgeber entscheiden. Und last but not least: Geflüchtete bringen Kompetenzen mit, die, richtig eingesetzt, für Unternehmen einen großen Mehrwert haben können.
Geflüchtete sind aber ja nicht zuletzt aufgrund ihrer sprachlichen Barrieren nicht sofort hundertprozentig auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar. Was müssen Unternehmen beachten, wenn sie sich für das gezielte Einstellen von Geflüchteten einsetzen möchten?
Henrik Straatmann: Zunächst ist es sicher ratsam, sich bezüglich der rechtlichen Anforderungen Hilfe zu suchen. Das heißt, entweder das Know-how ins Unternehmen holen oder sich erfahrene Partner:innen suchen. Viele unserer Kund:innen setzen darum gern auf uns, weil wir mittlerweile so viel Erfahrung haben, dass wir schnell und unkompliziert alle wesentlichen Fragen klären und die relevanten Prozesse in Gang setzen können.
Und es ist richtig, Sprache ist entscheidend. In der Vergangenheit hieß es: Erst muss die Sprache mindestens bis zu einem gewissen Niveau gelernt sein, bevor die Person am Arbeitsmarkt teilhaben kann. Heute wissen wir aus der Praxis, dass "Learning On The Job" in vielen Fällen sogar die bessere Variante ist – weil die Integration in den Arbeitsmarkt und das Erlernen der Sprache sehr viel schneller und praxisnaher erfolgt und die betreffende Person von Anfang an das Gefühl hat, einen wertvollen Beitrag leisten zu können.
Gibt es Beispiele, wie dieses "Learning On The Job" ganz konkret gelingen kann?
Henrik Straatmann: Mit unseren Kund:innen haben wir mittlerweile eine ganze Reihe an Lösungen entwickelt, denn es kommt immer ganz darauf an, über welche Branche und welches Jobprofil wir sprechen. Da sind die Anforderungen oft unterschiedlich. Mit einem Kunden haben wir beispielsweise Handgeräte eingeführt, die gesprochene Sprache sofort ins Deutsche übersetzt und umgekehrt. Damit können die Kolleg:innen miteinander sprechen, als ob sie eine/n Dolmetscher:in neben sich stehen hätten. Das Gerät kann außerdem Texte erkennen und übersetzt sie in Sekunden in die gewünschte Sprache.
Auch besteht die Möglichkeit Menschen mit Sprachbarriere so in Schichten einzuplanen, dass ein/e zweisprachige/r Mitarbeiter:in zum Beispiel übersetzen kann. Wichtig ist, kreativ und offen zu sein, auch mal ungewöhnliche Wege zu gehen.
Was ist noch wichtig zu bedenken?
Henrik Straatmann: Nicht immer bringen Geflüchtete exakt die Qualifikationen mit, die ein Unternehmen benötigt. Darum bieten wir Unternehmen beispielsweise an, Menschen ganz gezielt auf die relevanten Jobs zu qualifizieren. Ein Beispiel aus der Logistik: Wir führen unter anderem sehr erfolgreich Gabelstaplerausbildungen bei uns oder bei den Kund:innen durch, teilweise setzen wir dafür auch Dolmetscher:innen ein. Es ist eine schnelle Qualifikation und die Profile werden gesucht. Wer sich bewährt, kann sich direkt im Job sehr gut weiterentwickeln.
Zum Schluss eine provokante Frage: Wer muss sich aus Ihrer Sicht mehr bemühen, Geflüchtete oder Unternehmen?
Henrik Straatmann: Ganz klar: Das Bemühen muss auf beiden Seiten da sein. Aufgabe der geflüchteten Person ist es, sich in die neue Kultur und die neue Arbeitswelt einzubringen und den eigenen Möglichkeiten entsprechend zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Unternehmen müssen sich aber genauso bemühen: Für eine offene Unternehmenskultur, in der sich die bestehenden Mitarbeitenden unterstützend und konstruktiv verhalten. Das entscheidet darüber, ob die Integration am Ende auch wirklich nachhaltig gelingt. Führungskräfte spielen als Vorbilder hierbei eine wichtige Rolle.
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